"Man warf Mahatma Ghandi vor, dass er in der Vergangenheit lebe, weil er die "Cottage-Industries" (Heimherstellung von Stoff und anderer Grundbekleidung, Werkzeuge, etc.) befürwortete und für die Eigenversorgung und kleine Drofbetriebe im Bereich Lebensmittelversorgung plädierte. "Nein", antwortete er, "ich bin meiner Zeit voraus."

Ein anderer zeitgenössischer Prophet (heute würden wir "Channel" sagen), der Anfang des Jahrhunderts in Amerika unter dem Namen Awak bekannt war, sah in seinen Zukunftsvisionen eine weltweite Gesellschaftsstruktur, die im Gegensatz zum heutigen Stadtsystem, auf Kleingemeinschaftsbasis aufgebaut wird.

Die Weltbevölkerung wird in kreisförmige Kleindörfern untergebracht werden, die mehr oder weniger autonom sind, das umliegende Land bewirtschaften und soweit wie möglich selbstversorgend sind.

Die vergessene
Kraft der Erde
John Michell

Sämtlichen Überlieferungen zufolge lebten die ersten Menschen in vollkommener Harmonie mit der Natur und den Gottheiten. Ohne unter dem Druck von Gesetzen zu leiden waren sie laut Ovid aus eigenem Antrieb heraus rechtschaffen und ehrlich. Es gab weder Strafe noch Furcht, weder Richter noch Soldaten. "Die Erde brachte alles spontan hervor, und die Menschen waren mit den natürlichen Erzeugnissen zufrieden."

In seinen "Gesetzen" zitiert Plato den Dichter Hesiod, der in seiner mythischen Erzählung über das Zeitalter des Kronos folgendes schreibt: "Sämtliche zum Leben notwendigen Dinge stellten sich unaufgefordert und im Überfluss ein." Die Begründung dafür liegt wohl darin, dass die Menschen jenes Zeitalters sich nicht von anderen Menschen beherrschen liessen, sie folgten ausschliesslich ihren inneren geistigen Kräften - den immerwährenden Bestandteilen menschlichen Wesens.

Vor dem Anbruch der Zivilisation fungiert die Erde als einzige, allumfassende Gottheit. Nicht ihr materieller Aspekt wird verehrt, sondern ihr Geist, der sie ja erst - so wenigstens laut den alten Philosophen - zu einem lebendigen Wesen macht. Die Erde ist ein weibliches Wesen, denn sie empfängt die Kraft der Sonne, welche sie belebt und befruchtet. Der physische Körper der Erde ist wie der menschliche Körper Veränderungen ausgesetzt und vergänglich, aber ihr Geist ist unwandelbar; deswegen ist die Wesensart dieses Himmelskörpers auch spiritueller Natur.

Im natürlichen Zustand geniessen die Menschen den Überfluss der von ihrem Einfluss unberührten Erde. Solche Menschen müssen daher jedes Vorhaben, das Antlitz der Erde zu verletzen oder auch nur geringfügige Veränderungen daran vorzunehmen, als frevlerisch und sinnlos ansehen.

Edward Carpenter, ein standhafter Radikaler, veröffentlichte im Jahr 1889 ein Buch mit dem herausfordernden Titel: Zivilisation: Ursache und Heilung. In seinem einführenden Abschnitt betrachtet er Zivilisation als "eine Art Krankheit, durch welche die verschiedenen Menschenrassen hindurchgehen müssen."

Die Ursprünge der Zivilisation liegen alle im Zeitalter der Ur- und Frühgeschichte, einem Zeit-alter ohne schriftliche Überlieferungen. Die einzige zugängliche Informationsquelle findet sich somit in der Überlieferung sogenannter "Götter-erzählungen". Der Unterschied zur traditionellen Geschichtsforschung liegt darin, dass diese Erzählungen viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen und sich weitgehend auf Mythos und Schöpfungsgeschichte begründen. Änderungen in der menschliche Gesellschaftsordnung werden in diesen Erzählungen durch eine Veränderung in der Hierarchie der Götter angedeutet.

Plato, der Geschichte in Zyklen ablaufen sah, glaubte, dass städtisches Leben bereits seit "einer unermesslich und unglaublich langen Zeitdauer" bestanden hatte. Während dieser Zeit "hatten viele Tausende von Städten bestanden und waren auch wieder verfallen". Gemäss dieser Anschauung erfolgt die Gründung von Siedlungen periodisch; die ganze Geschichte über entstehen und vergehen Zivilisationen.

...Tatsächlich gibt es gute Hinweise dafür, dass hochentwickelte Zivilisationen bereits im weit zurückgebliebenen Altertum bestanden haben. Mit am überzeugendsten dürfte die Existenz von traditionellen Masseinheiten, welche über die ganze Welt verbreitet waren, sein. Genau wie der modernen Meter waren diese Masseinheiten ganze Bruchteile des Erdumfanges, oder wurden wie im Fall der noch heute existierenden englsichen Meile von einme urlaten kosmologischen Kanon abgeleitet.

All dies steht natürlich mit modernen Geschichtstheorien keineswegs in Einklang, dennoch stärkt es die Theorie der vorsintflutlichen Welt von Atlantis, die angeblich alle späteren Zivilisationen inspiriert haben soll. Mangels archäologischer Befunde ist die Debatte um Atlantis zwischen Befürwortern und Gegenern bisher immer mit religiösen oder sogar politischen Argumenten abgelaufen. Anhänger einer zyklischen Geschichtsauffassung teilten dabei Platos Meinung, welche von den Befürwortern der Evolutions-theorie natürlcih verworfen wurde.

Leider sind die heutigen Historiker nur allzu leicht geneigt, die Zivilisation vergangener Zeitalter mit unseren eigenen Massstäben zu beurteilen. Jedoch gerade Stonehenge und andere Stätten der Megalithkultur sind ein Beweis für die Existenz einer 4000 Jahre alten, fortschrittlichen Wissenschaft, die sich einer naturgerechten und unaufdringlichen Technologie bediente.

Daraus kann man schlussfolgern, dass die gegenwärtige Weltzivilisation nicht etwas Einmaliges darstellt, sie ist nur materiell am weitesten entwickelt und übertrifft mit ihrem Materialismus alles bisher Dagewesene.

Trotz der Warnungen vieler prophetischer Stimmen und den Bemühungen verständnisvoller Menschen, den Fortschritt der Zivilisation einzudämmen, scheint sie immer mehr an Komplexität zu gewinnen.

Irgendwann muss es in der Geschichte einen Zeitpunkt gegeben haben, an dem die althergebrachte, naturgemässe Verehrung des Erdgeistes, deren Ideal es war, die Erde in den von den Göttern erschaffenen Zustand zu erhalten, einer gänzlich neuen Anschauung wich. Die Zielsetzung dieser Anschauung war es, die Erträge der Erde künstlich zu steigern, indem man an ihrer Fruchtbarkeit herummanipulierte.

Jener wichtige Abschnitt in der Geschichte wird durch das Erscheinen von Sonnengottheiten markiert - die heldenhaften Gottheiten der Vernunft, des Verstandes und der zentralisierten Regierung.

Der Erdgeist kann ganz ähnlich der "Kundalini", der vitale Lebewesen beseelenden Schlangenströmung, nur in seinen Auswirkungen erkannt werden; analytischen Methoden versagt er sich gänzlich. Deswegen stellt er für die physikalischen Wissenschaften auch keinen Forschungsgegenstand dar und darf auf keinen Fall in den wissenschaftlichen Kanon über existierende Phänomene aufgenommen werden.

Früher glaubte man jedoch, dass sein Einfluss jeden Aspekt des Lebens auf der Erde bestimmt; deswegen wurden auch, wie schon angedeutet, von Einzelnen, wie auch von Priestern und Wissenschaftlern der alten, grossen Staaten geradezu heroische Bemühungen gemacht, seine Geheimnisse verstehen zu lernen, um seine gesellschaftlich erwünschbaren Eigenschaften dann besser ersichtlich werden zu lassen.

Diesen Menschen war ein äusserst nobler Ehrgeiz zueigen: sie alle wollten das Goldene Zeitalter auf Erden wieder herbeiführen. Zweifellos haben sie zu ihren Lebzeiten viel dazu beigetragen, menschliche Annehmlichkeiten und Komfort zu fördern; auch sind die Zivilisationen durch solche Bemühungen humaner geworden.

Aber den Untergang ihrer Zivilsationen haben sie damit nur hinausgeschoben. Denn der menschliche Geist ist wie der Erdgeist ein "Wanderer", er wird Häuslichkeit nie akzeptieren können.

Immer wieder werden trotzdem Anstrengungen gemacht, das launische, lebendige Prinzip der Natur festzuhalten. Für eine gewisse Zeit über mag der Erdgeist sogar die Einschränkungen, welche die Menschen seinem rein materiellen Aspekt auferlegen, dulden. Früher oder später wird er jedoch wieder seine eigenen Wege gehen, ohne Rücksicht auf die ihm dabei in den Weg gestellten Hindernisse.

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Auszüge aus dem Buch:
Die vergessene Kraft der Erde; Ihre Zentren, Strömungen und Wirkungsweisen,
John Michell, Mutter Erde Verlag

 

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