"Alle Ressourcen unserer fast wunderwirkenden Technologie sind in den gegenwärtigen Angriff gegen das Schweigen ins Feld geworfen worden."
Aldous Huxley

"Hör auf zu reden, hör auf zu denken, und es gibt nichts, was du nicht verstehen wirst."
Seng Ts´an

Die gabe Der Stille
Andrew da Passano

Andrew da Passanos höchst ereignis-reiches Leben begann am 22. November 1905 in St.Petersburg in Rußland. Sein Vater war der Marquis Eugenio Da Passano, seine Mutter Elisabeth Saltykov, die Tochter des Schriftstellers Saltykov-Scedrin, der noch immer in Rußland sehr bewundert wird.

Zu dieser Zeit vertrat der Marquis Da Passano die >Electric Boat and Submarine Corporation< von Newark, und zwar sowohl im zaristischen Rußland wie auch im Fernen Osten und in Europa. Andrew begleitete seinen Vater auf seinen weiten Reisen und arbeitete später als sein Sekretär. Dabei lernte und praktizierte er die sechs Sprachen, die er auch heute noch fließend spricht.

Die Familie Da Passano, deren Burg auf dem höchsten Gipfel über Genua gebaut ist, hat die Entstehung der Republik Genua mitgestaltet, und der Name Da Passano, der bis zum Jahre 960 nach Christus zurückverfolgt werden kann, ist noch immer in den wichtigsten historischen Denkmälern, Gebäuden und Kirchen eingemeißelt. Im Laufe der Jahrhunderte kamen viele der führenden Mitglieder der Familie mit dem Osten in Kontakt, als Genua mit Venedig um die Vorherrschaft im Mittelmeerhandel kämpfte, auch die Kreuzzüge hinterließen einen tiefen Eindruck in der Familientradition.

Während seiner frühen Jahre hatte Andrew einen schwachen physischen Körper, aber er war unablässig in Berührung mit einer Wirklichkeit, die für seine Eltern unverständlich war: der Dimension jenseits physischer Formen. Nachts hatte er des öfteren Erlebnisse des Hellhörens: eine feine Musik, die jede Nacht genau zur selben Zeit begann und eine Stunde lang andauerte. Dieses Erlebnis begleitete ihn bis zum Alter von elf Jahren.

Durch Schwimmen, Ringen und Boxen entwickelte er dann später seinen physischen Körper. Aber dabei hatte er immer das Gefühl, vom Bewußtsein europäischer Krieger gelenkt und begleitet zu werden, die er schließlich als Teile seiner Familienvergangenheit identifizierte.

Während sein Vater noch mit Geld gesegnet war, hatte Anddrew ein recht angenehmes Leben. Die Familie kaufte den Anchorage Estate in Longbranch, New Jersey von dem Bankier Bernard Baruch, und sie hatten eine große Villa in Monaco. In Paris lebten sie in einer Wohnung, die einstmals Talleyrand, dem Minister Napoleons, gehörte. Aber während der Depression verlor der Marquis Da Passano sein Vermögen und starb 1930 an einer Herzattacke.

Für Andrew begannen nun schwierige Zeiten. Er mußte nun seine Fähigkeit als kommerzieller Künstler entwickeln, um zu überleben. In Paris arbeitete er als Kleiderdesigner und Dekorateur der Folies Bergère im Casino der Paris. Er schuf Bühnenbilder für Mistinguette im Moulin Rouge. Auch in Deutschland entwarf er Bühnenbilder. In Chelsea, London führte er ein Lampenschirm-geschäft.

Aber während all dieser beruflichen Veränderungen blieb er dennoch bei seiner spirituellen Suche und traf im Jahre 1938 seinen spirituellen Lehrer Tulio Castellani. Nach einigen Jahren des Studiums gründete Andrew mit ihm zusammen das Zentrum für Spirituelle Kultur in Mailand, das auch heute noch immer aktiv betrieben wird.

Der Zweite Weltkrieg veränderte Andrews Leben grundlegend. Aufgrund seines Wissens im Bereich der U-Boot-Waffentechnik konnte er das akustische Torpedo für seine Heimat Italien entwickeln und erreichte später den Rang eines Kapitäns in der italienischen Flotte. Der Krieg brachte ihm eine persönliche Tragödie: Während des Luftangriffes auf Mailand im August 1943 verlor er sein einziges Kind im Alter von 2 Jahren, es starb in seinen Armen.

Der Schmerz und das Leiden, die dieser Verlust in ihm erzeugte, trieben ihn dazu, seine innere Entwicklung zu intensivieren. Andrew stürzte sich mit neuer Begeisterung in harte spirituelle Übungen und studierte zusammen mit Castellani. Castellani, der auch den Beinamen >Der Venezianer< trug, war ein ernsthafter Lehrer, der es seinen Schülern nicht leicht machte. Eines Tages erlebte Andrew während der Meditation den Duft von weißen Rosen. Er öffnete seine Augen und sah den Buddha... Er war ungeheuer erregt, und eilte mit dem Zug und zu Fuß viele Kilometer durch das vom Krieg erschütterte Mailand, um seinem Lehrer die großen Nachrichten zu überbringen. Aber dessen einzige Antwort lautete: "Nun gut. Und hast du deine Übungen gemacht?"

Gegen Ende des Krieges schloß sich Andrew den italienischen Partisanen an, die gegen die Nazis kämpften, er arbeitete mit dem Roten Kreuz und schloß sich dann den Alliierten Truppen an. Nach dem Krieg wurde er in Mailand Verleger und in Paris ein erfolgreicher Künstler.

Von der UNESCO erhielt er den Auftrag, ein Bildungsprogramm zu entwickeln, um den Analphabetismus in Mexico zu bekämpfen. Nachdem er nun einmal dort war, blieb er auch und lehrte 25 Jahre lang, um dann im Jahre 1954 das Zentrum für Initiatische Kultur in Mexico City zu gründen, das noch immer unter seiner Leitung weiterarbeitet und eine Filiale in Guadalajara unterhält.

Im Jahre 1956 erfuhr er Selbstverwirklichung, er nennt es seine >Offenbarung<. Er lehrte weiter und versuchte, auch andere Menschen zu diesem transzendentalen Moment zu bringen. Von 1961 -1965 war er Professor an der Universität von Guadalajara und im Jahre 1977 zog er nach Los Angeles, Kalifornien.

Andrew ist jetzt in seinen Achtzigern, aber er ist nicht der Typ eines Menschen, der sich pensionieren läßt. Er lehrt weiterhin, und seine Schüler kommen aus den verschiedensten Lebensaltern und Berufsbereichen... Es sind Makler, Künstler, Studenten, Anwälte, Schauspieler, Schriftsteller. Seine Schule ist zutiefst traditionell, dennoch aber ist sie an die westliche Mentalität angepaßt. Andrews weites Wissen umfaßt die fortgeschrittenste theoretische Wissenschaft, die inzwischen auch der alten Weisheit des Ostens die Hand reicht. Aus den östlichen Philosophien, und zwar vor allem dem tibetanischen Buddhismus und dem Taoismus, bietet Andrew Methoden an, die noch bis vor kurzem nur in geheimer mündlicher Tradition überliefert wurden. Es ist ein eklektisches System, sowohl esoterisch wie auch höchst praktisch, und das erklärt auch den Namen seiner Schule in Los Angeles: Tempel Esoterischer Wissenschaft... geheime Traditionen also, die sich mit den neuesten Wissen paaren, um eine neue Vision zu erschaffen. Gegenwärtig ist er mit seiner vierten Ehefrau, Virginia Da Passano, aus Mexico verheiratet, sie ist Ärztin für chinesische Medizin. Wenn Andrew keine Bücher schreibt oder mit seinem kleinen Enkel spielt, gibt er wöchentlichen Unterricht und Seminare an seiner Schule, und zusätzlich dazu gestaltet er ein regelmäßiges TV-Programm im Kabelfernsehen.

Andrew ist immer verfügbar, wenn einer seiner Schüler mit einer Krise konfrontiert ist. Er ist ein hingebungsvoller Lehrer und herzlicher Freund.

Stellen Sie sich vor, daß der alte Merlin mit seinen ganzen Kräften und mit seiner ganzen Weisheit zurückgekehrt ist, daß er mit einem trockenen Sinn für Humor noch immer jugendlich und energiegeladen ist, daß er jetzt über Quantenphysik und Buddha redet. Dann haben Sie eine Vorstellung von Andrew Da Passano.


"Ich habe seit mehr als 45 Jahren gelehrt, und meine Schüler sind sehr intelligent. Ich habe nicht mit den verklärten Spiritualisten oder Menschen zu tun, die alles schlucken, wenn es nur einen orientalischen Namen hat. Nein, keineswegs. Ich habe keinen Turban auf dem Kopf, auch keinen großen herabfließend-en Bart, und ich sehe nicht wie ein Patriarch aus.

"Ich habe mit Menschen zu tun, die mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, und gleichzeitig aber fähig sind, ihre Augen auf die Sterne zu richten.

Sehen Sie sich Sequoia-Bäume oder andere Baum-Riesen an! Sie sind riesengroß, ihre Wurzeln reichen kilometerweit. Der Wind kann sie nicht umwerfen, sie sind zu fest verwurzelt. Aber die Palmbäume haben große Kronen und sehr kurze Wurzeln, und wenn ein Tornado kommt, werden sie mitgerissen. Das trifft auch auf viele Esoteriker und Spiritualisten zu.

Meine Schüler haben ihren Kopf fest auf den Schultern und sind imstande, das zu erlangen, was sie auf dieser Ebene erreichen wollen.

Einer von ihnen (und danach im Laufe der Jahre noch viele andere) fragte mich einmal: "Warum sprechen Sie nie über Gott?" Ich erwähne Gott selten, weil die Menschen in dieses Symbol alles hineinpacken, was sie an Werten mit sich führen, und deshalb hilft es ihnen nicht viel, wenn sie von Gott sprechen. Aber dieser Mann blieb beharrlich: "Können Sie uns eine Definition, eine Vorstellung davon geben, was Göttlichkeit ist?"

Nun, das war jahrhundertelang ein höchst strittiges Thema. Mönche und Laienbrüder, Einsiedler in der Wüste, Bischöfe mit juwelen-geschmückten Tiaras und weise Männer, die in Griechisch und Latein zu Hause waren, sind mit ihren kahlen Köpfen gegen eine Wand gerannt, sie haben versucht, was unmöglich schien. Aber diese theologischen Genies haben eine sehr gute Methode entdeckt, um sich des Problems zu entledigen, um es auf Zehenspitzen hinter sich zu lassen, wie es ja meistens geschieht: "Man kann das Unendliche nicht definieren." (Definieren kommt von dem lateinischen Wort >finis< = Grenze, definieren heißt also eingrenzen.) Sie sagten: "Wie kann man einen Kreis um etwas ziehen, was keine Grenzen hat? Gott hat keine Grenzen, deshalb ist eine rationale Definition unmöglich, in Ewigkeit, Amen!"

Diese Erklärung habe ich lange Zeit unhinterfragt angenommen, weil sie logisch ist. Wie Sie inzwischen oftmals gehört haben, hat das rationale Denken seine Grenzen, und die Niagara-Fälle in einer Teetasse fassen zu wollen, ist schlicht unmöglich. Aber als ich mich einmal auf einem meiner Ausflüge in andere Dimensionen befand, hatte ich die Freude, einem sehr fortgeschrittenen Wesen zu begegnen, und ich erzählte diesem Wesen: "Schau, meine Schüler stellen mir eine Frage, die mich in eine höchst unangenehme Situation bringt, weil ich sie nicht beantworten kann. Die Frage lautet, wie man Göttlichkeit definieren kann. Und wie ihr hier ganz genau wißt, ist es mein Beruf, als Reisender zwischen den Dimensionen das Unbegreifliche in etwas Klares und Anwendbares zu übersetzen." Da lächelte dieses Wesen und gab mir eine Definition. Sie hören: Nur von einer so hohen Ebene konnte eine so unglaubliche Definition herabkommen.

Es wird Ihnen sehr einfach vorkommen, aber wenn Sie irgend etwas über Meditation wissen, das heißt, still zu halten und sich auf etwas in einer ganz bestimmten und präzisen Weise zu konzentrieren, so kann ich Ihnen versprechen, daß Sie über diese wenigen Worte für den Rest Ihrer irdischen Existenz und noch vieler anderer Existenzen meditieren können.

Dennoch werden Sie nicht auf den Grund dieser Erklärung kommen. Sie lautet: "Gott oder Göttlichkeit ist die Kraft, gleichzeitig alle möglichen Beziehungen mit allem im Kosmos zu erzeugen."

Nun bedeutet alles im Kosmos wörtlich alles . Und das reicht von einem Stück Papier über die Saturnringe bis zu den Tieren auf dem Grund des Meeres und zu jedem noch so seltsamen materiellen oder immateriellen Ding, an das Sie denken können. Gedanken, Begriffe, Gefühle, Hoffnungen, Wünsche, Ängste, Lieben, Haßgefühle, alles im Kosmos. Beziehen Sie sich auf alles, auf all seine Einzelheiten, die Myriaden von Myriaden zählen...und all das findet gleichzeitig statt: Und das heißt in einem Augen-blick, jetzt. Wenn Sie das tun können, so haben Sie keine Probleme mehr.... Sie sind Gott.

Das ist es. Das ist nun wirklich eine mächtige Definition. Sie begrenzt die Göttlichkeit nicht, vielmehr macht sie ihre Weite begreiflich. Wenn Sie das vor 2000 Jahren den armen Hirten in Galiläa erzählt hätten, so wären Sie auf taube Ohren gestoßen. Aber in unserer Zeit sind Sie imstande zu verstehen, was inneres Schweigen, was eine innere Reise ist, und deshalb kann ich Ihnen diese Formel, diesen Aphorismus übermitteln. Setzen Sie sich hin und meditieren Sie über diese unglaubliche Aussage. Sie wird Ihnen eine ungeheure Kraft geben. Wenn Sie den Einzelheiten und Verästelungen folgen, so werden Sie von einer Ebene des Verständnisses zur nächsten aufsteigen... und immer so weiter!

Viele Autoren sind reich geworden, indem sie Bücher darüber geschrieben haben, wie man mehr Energie, also mehr Geld erwerben kann. (Geld ist ja eine Form von Energie.) Sie raten Ihnen 'Denken Sie reich'. Und ich sage Ihnen: "Denken Sie göttlich." Denn das ist ganz einfach noch mehr Reichtum.

Andrew da Passano

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"Die Gabe der Stille"
Ein Wegweiser aus dem Lärm des Alltags

Andrew da Passano
übersetzt aus dem amerikanischen von Eluan Ghazal
Wilhelm Heyne Verlag München

 

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