Ihr fragt: "Vorbereiten....Wie kann man sich denn auf die Elternschaft vorbereiten?". Indem man durch seine Gedanken, Gefühle und sein Verhalten außergewöhnliche Wesen in seine Familie ruft. Ja, die Einweihungswissenschaft lehrt, daß dieses oder jenes Kind nicht aus Zufall in eine Familie hineingeboren wird. Die Eltern haben es bewußt oder unbewußt - aber meistens unbewußt - angezogen. Deshalb sollten sie in voller Absicht Genies und gottähnliche Wesen herbeirufen, denn sie können ihre Kinder auswählen. Aber dies wissen die meisten nicht.

Die Erziehung beginnt
vor der Geburt

Omraam Mikhael Aivanhov


Man sollte also alles von Anfang an betrachten, und der Anfang liegt in der Zeugung. Die Eltern denken nicht daran, daß sie sich monate-, jahrelang vorbereiten müssen, ähnlich wie zu einer heiligen Handlung. Sie sollten einen Augenblick des Friedens und der Erleuchtung abwarten, in dem eine tiefe Harmonie sie verbindet. Die Eltern müssen ihre Verantwortung klar erkennen. Sie haben kein Recht, Geistwesen zur Wiedergeburt herbeizurufen, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Ich weiß, die Zukunft der Bruderschaft liegt bei den Kindern, aber trotzdem kümmere ich mich um die Eltern und will ihnen klarmachen, daß sie keine Kinder in die Welt setzen dürfen, nur weil sie ihren ererbten Zeugungstrieb befriedigen wollen. Gewiß, dieser Trieb existiert, aber er muß auf einer geistigen Ebene verstanden werden. Bei der Zeugung müssen auch die Gedanken, die Seele und der Geist beteiligt sein, damit das Kind zu einer höheren Welt Verbindung hat.

Der Mann gibt der Frau im Augenblick der Zeugung einen Samen, der je nach seinem eigenen Entwicklungsgrad verschieden ist.

Genau wie die Saat in der Erde das Muster eines Baums oder einer Blume in sich trägt, so enthält auch der Same des Vaters den Entwurf des Kindes, mit dessen Fähigkeiten und Talenten oder im Gegenteil mit seinen Mängeln und Fehlern. Die Mutter gibt dann während der Schwangerschaft neun Monate lang die Aufbaustoffe zur Verwirklichung dieses Plans.

Hierüber kann ich außerordentlich wichtige und interessante Dinge sagen. Die Mutter bildet nicht nur den physischen Körper des Kindes, sondern sie wirkt unbewußt auf den Samen des Mannes ein, indem sie günstige oder ungünstige Bedingungen zur Entfalung der verschiedenen Charaktereigenschaften, die der Samen enthält, herstellt. Wie macht sie das? Indem auch sie auf ihre Gedanken, ihre Gefühle und ihre Lebensweise achtet.

Während der ganzen Schwangerschaft muß die Mutter darauf achten, daß ihr Kind keinen negativen Einflüssen ausgesetzt ist. Durch die Kraft der Gedanken soll sie es bewußt mit einer Atmosphäre aus Reinheit und Licht umgeben, damit es vor Angriffen bösartiger Wesenheiten geschützt ist. Außerdem kann sie unter solchen Umständen mit der Seele, die sich inkarnieren will, zusammenarbeiten.

Im Gegensatz zu manchen Auffassungen tritt die Seele nicht während der Schwangerschaft in den Körper des Kindes ein. Das Knd lebt zwar im Leib der Mutter, sein Herz schlägt und es ernährt sich, aber die Seele ist noch nicht in seinen Körper eingezogen; das tut sie erst bei der Geburt, beim ersten Atemzug. Bis dahin hält sie sich in der Nähe der Mutter auf und arbeitet mit ihr gemeinsam am Aufbau der verschiedenen Körper (des Physis, des Astral- und Mentalleibs..) des Kindes. Im allgemeinen ist sich die Mutter dieser Gemeinschaftsarbeit nicht bewußt, denn sie ist weder empfindsam noch erleuchtet. Auch wenn sie die Seele nicht sieht, kann sie trotz allem mit ihr sprechen, Gebete an sie richten und sie bitten: "Ich gebe dir die besten Aufbaustoffe, ich will dir helfen, aber du mußt deinerseits für diese oder jene Fähigkeiten sorgen, damit das Kind ein Künstler, ein Philosoph, ein Wissenschaftler oder ein Heiliger wird!".

Wenn die Mutter diese kraftvollen, magischen Worte von ganzem Herzen ausspricht, dann strahlt sie bereits bestimmte Elemente aus, die der Geist des Kindes, der sich inkarnieren will, als Aufbaustoffe für seine verschiedenen Körper benutzt. Das Kind besitzt selbst nichts, es erhält alles von seiner Mutter, deshalb muß sie bewußt darauf achten, ihm nur das Beste zu geben und ihm durch ihre Gedanken und Gefühle nur die lichtvollsten und reinsten Elemente zuzuführen.

Männer und Frauen dürfen nie vergessen, daß ihre künftigen Kinder in irgendeiner Form ihre eigene Denk- oder Lebensweise reflektieren. Alles was der Mensch im Herzen oder im Sinn hegt, realisiert sich eines Tages. Jeder auftretende Gedanke oder Wunsch ist lebendig, und das kommende Kind lebte bereits im Kopf oder im Herzen des Vaters oder der Mutter. Wenn also euer Kind zu einem helfenden Engel heranwächst, dann war es ursprünglich ein edles Gedankengut, das ihr jahrelang in eurem Inneren getragen habt. Der Gedanke hat sich im Kind verkörpert und steht euch durch das Kind weiterhin zur Seite.

Ein Kind wird nicht aus dem Nichts geboren. Wenn ihr mich fragt, warum euer Kind zur Welt kam, dann antworte ich euch: "Damit ihr seht, was ihr im Sinn gehabt habt". Gerade durch ihre Kinder erkennen Männer und Frauen ihr eigenes Wesen.

Die Erwachsenen müssen jetzt lernen, die Kraft der Worte zu nutzen, um ihren Kindern etwas Gutes zu tun. Hierfür möchte ich besonders den Müttern mit ganz kleinen Kindern eine Methode geben. Wenn das Baby schläft, kann sich die Mutter an sein Bettchen setzen oder es in die Arme nehmen und ihm ganz sachte sagen: "Mein Kind, ich habe dich sehr lieb, ich denke an dich, ich möchte, daß du erhaben, edel, strahlend und göttlich wirst, ich möchte, daß du viel Verstand, Kraft, Reinheit und Güte haben wirst." So soll sie mit ihren guten Wünschen zu dem Kind sprechen.

Vielleicht halten manche diese Methode für unsinnig, aber wer die Gesetze des Universums kennt, wird mir recht geben, denn er weiß, daß das Wort allmächtig ist. Selbst wenn das Kind in dem Augenblick nichts versteht, werden ihre Worte in seinem Unterbewußtsein registriert und wirken in der Richtung, die die Mutter ihnen gegeben hat, im Kind weiter. Jeden Tag, jeden Abend oder sogar während der Nacht sollen die Mütter mit ihren Kindern sprechen, ihnen zärtlich das Köpfchen streicheln und ihnen versichern, daß sie alle Kräfte, Qualitäten und Tugenden besitzen, die sie später entwickeln werden. Sie sollen sich in poetischen, wunderschönen Worten ausdrücken und auch die Zukunft erwähnen und ihnen erzählen, wie glücklich, erhaben und hervorragend sie sein werden.

Im allgemeinen wartet man mit der Erziehung bis die Kinder ein gewisses intellektuelles Vermögen besitzen. Dann gibt man ihnen Erklärungen und glaubt, das sei Erziehung. Nein, übrigens haben Erklärungen noch nie einen großen pädagogischen Wert gehabt. In der Pädagogik ist die einzig wirksame Methode das Beispiel. Zeigt den Kindern konkret, was sie tun sollen, macht es ihnen vor und erklärt nichts. Zeigt ihnen, wie man sich wäscht, sauber macht, Ordnung schafft oder wie man die Mahlzeiten zubereitet...

....Vater und Mutter dürfen nie auf die Launen ihres Kindes eingehen. Sie sollen zärtlich und liebevoll sein, aber nicht nachgeben. Wenn sie dem Kind einen Auftrag erteilen, müssen sie darauf bestehen, daß es ihn ausführt. Manche Mütter lassen sich von den Tränen des Kindes erweichen, weil sie ihnen keinen Kummer bereiten wollen. Wenn sie sich auf diese Weise rühren lassen, sind sie dumm, denn später wird der schlecht erzogene Sprößling seinen Eltern auf der Nase herumtanzen. Die Mutter sollte sanftmütig bleiben, nicht wütend werden, das Kind nicht schlagen und trotzdem nicht nachgeben - wie die Natur, die sich keinerlei menschlichen Wünschen oder Launen beugt. Legt das Kind seine Hand ins Feuer oder aufs Eis, dann ändern die Wärme- und Kältegesetze sich nicht, um es zu schützen. Die Natur bleibt dem Tun des Kindes gegenüber unparteiisch, deshalb lernt es, sie zu respektieren. Für das Kind stellt die Mutter die Natur dar, und wenn sie diese nicht richtig vertritt, erfährt das Kind nicht, daß es Grenzen gibt, die es nicht überschreiten darf.

Die Eltern sollen nur das tun, was lehrreich und intelligent ist, auch wenn es den Kindern nicht gefällt, das müssen sie eben akzeptieren und sich daran gewöhnen. Jeder trachtet nur nach dem Vergnügen, aber das Vergnügen ist der schlimmste aller Führer, es erniedrigt den Menschen und schickt ihn wieder in das Tierische zurück. Die unwissenden Eltern sind ihren Kindern gefällig, wei sie sie lieben - wie sie es nennen. Aber es gibt Liebe und Liebe, und man sollte die Liebe wählen, die das Kind erzieht, verschönt, stärkt und zur Vollkommenheit führt. Der Mensch ist von Natur aus egoistisch und undankbar und durch zuviel Nachsicht wird gerade dies gefördert. Man will den Kindern alles bieten, weil man sie liebt, aber die Weisheit empfiehlt, sie lieber auf gewisse Dinge ein wenig verzichten zu lassen.

Die Eltern müssen sich auf jeden Fall in Gegenwart der Kinder tadellos benehmen und dürfen weder Schwächen noch Mängel zeigen. Die Kinder sind verwirrt und irritiert, wenn die Eltern ihre Schwächen zeigen, weil sie dann nichts mehr haben, an das sie sich halten können. Kinder möchten sich instinktiv immer an Menschen anlehnen, die Gerechtigkeit, Erhabenheit und Vollkommenheit verkörpern. Sie tragen alle instinktiv das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Wahrheit in sich. Wenn sie sehen, daß sich die Eltern falsch verhalten, gerät in ihrem Inneren etwas aus dem Gleichgewicht. Das Kind ist klein und schwach und will eine unfehlbare, schützende Autorität über sich fühlen. Es ist unwissend, aber trotzdem ist es sich seiner Schwäche bewußt und sucht deshalb Schutz bei seiner Mutter, an die es sich schmiegt, um ihre Wärme zu spüren. Es verlangt nicht nur im physischen, sondern auch im psychischen Bereich einen Halt. Wenn ein Kind erkennt, daß seine Mutter oder sein Vater den Anforderungen nicht gewachsen ist, fühlt es sich verloren und revoltiert.

Die Kinder erwarten von ihren Eltern, daß sie keinerlei Schwäche zeigen. Deshalb ist es auch falsch, daß die Eltern akzeptieren, daß ihr Kind einen erteilten Auftrag nicht ausführt. Sie müssen auf der Ausführung ihrer Anordnungen bestehen, sonst erkennt das Kind ihre mangelnde Entschlossenheit und Standhaftigkeit, und dieser Eindruck von den Eltern hemmt dann seine Erziehung.

...Deshalb sage ich Euch: für mich ist die Sonne der größte Pädagoge. Ja, sie ist mein Meister. Sie enthüllte mir: "Alle sogenannten Pädagogen haben von der wahren Pädagogik keine Ahnung, das kannst du mir glauben. Sie wissen nicht, daß man selbst Wärme besitzen muß, um die anderen zu erwärmen, daß man selbst lichtvoll sein muß, um die anderen zu erleuchten, daß man selbst das Leben in sich tragen muß, um die anderen zu beleben. Die Erzieher wollen der jungen Generation moralische Qualitäten vorschreiben, die sie selbst nicht besitzen und für die sie kein Beispiel sein können. Wie soll die Jugend dabei nicht aufständisch sein? Es ist ganz normal, daß sie auf keinen mehr hört!" Ja, das hat mir die Sonne gesagt.

Ein wahrer Pädagoge muß die Qualitäten, die er lehren will, selbst aufweisen, er muß etwas ausstrahlen, das die anderen ansteckt, sie anregt, ihnen unwiderstehtlich ist!

Die heutige Erziehung bleibt an der Oberfläche, der Peripherie, aber die wahre Pädagogik betrifft das Innerste. Wenn euer inneres Wesen erhaben, gerecht und ehrlich ist, beeinflußt ihr auch ohne Worte eure Umgebung, so daß auch sie erhaben, gerecht und ehrlich wird. Die ganze magische Macht der Pädagogik liegt im Beispiel, das kann ich gar nicht oft genug wiederholen. Alles andere ist nur Zeitvertreib und Firlefanz. Man weiß, man liest, man schreibt, man erklärt und stellt Theorien auf, aber man ist selbst nicht imstande, ein Beispiel zu sein. Wenn ihr mich über Erziehungsmethoden, über neue Systeme und moderne Tendenzen befragt, so weiß ich von all dem nichts, denn ich konzentriere meine ganze Energie, mein ganzes Streben auf eine einzige Idee: wie kann ich selbst ein Vorbild sein. Das ist alles.

Nur Liebe, Überzeugung und Glaube sind anregende und inspirierende Kräfte, sie sind lebendige Energieströme. Die wahre Macht liegt in der Liebe und im Glauben.

Die Aufgabe eines Erziehers besteht darin, durch die Macht der Liebe an der Seele und dem Geist des Kindes zu arbeiten. An welcher Universität wird den zukünftigen Pädagogen die Macht der Liebe erklärt? Wo wird gelehrt, daß gerade die Liebe alles wandelt, daß sie eine erzieherische Kraft ist und alles bessert?"


Meister Omraam Mikhael Aivanhov (1900-1986), französischer Philosoph und Pädagoge bulgarischer Herkunft, seit 1937 in Frankreich. Seine Lehre hat Aivanhov ausschließlich mündlich überliefert.

aus:
Omraam Mikhael Aivanhov
"Die Erziehung beginnt vor der Geburt"
In der Reihe "Izvor". Prosveta Verlag, DM/SFr 15,- / öS 117,-)

 

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