Astronomische und astrologische Forschungen bringen einen bisher nicht berücksichtigten Ansatz in die Astrologie, nämlich die hermetische Sternenwissenschaft.

Diese neue, der großartigen Gestirnskunde Altägyptens vergleichbare Sternenwissenschaft kann nur dann ins Dasein treten, wenn eine höhere Bewußtseinsstufe errungen wird - höher als die intellektuelle Bewußtseinsart des modernen Wissenschaftszeitalters.


Zu einer neuen Sternenweisheit

Einführung in die hermetische Astrologie

Robert Powell

 

Seit frühester Zeit hat sich die astrologische Literatur auf Hermes berufen als den Gott, der seinen Priestern und Schülern Mitteilungen gemacht hat über die göttliche Wissenschft der Astrologie.

So spricht Clemens von Alexandria (ca. 150 - 211 n. Chr.) von einer eindrucksvollen Literatur in Ägypten unter dem Namen des Hermes. Clemens kannte zweiundvierzig Bücher, die dem Hermes zugeschrieben wurden; vier davon behandelten astrologische Themen. Von den ägyptischen Priestern verlangte man, daß sie diese hermetischen Bücher auswendig wußten.

Dieser Hinweis bei Clemens von Alexandria und zahllose weitere Erwähnungen in den Schriften griechischer Astrologen deuten auf das Vorhandensein einer hermetischen Literatur in Ägypten hin, die letztlich auf das zweite vorchristliche Jahrhundert zurückgeht. In dieser Zeit begann die Astrologie als weltweit praktizierte Kunst zunächst in Ägypten aufzublühen, vor allem im neu gegründeten Alexandria.

Obgleich die Wurzeln dieser Astrologie in den Omentexten Mesopotamiens zu finden sind, ist doch das eigentliche Zentrum antiker Astrologie, von welchem aus sie sich schließlich über die ganze Kulturwelt verbreitete, ohne Zweifel das hellenistische Alexandria. Also Alexandria, von Alexander dem Großen 332 v. Chr. gegründet, nicht Babylon, das er im folgenden Jahr eroberte, wurde das Zentrum für die weitere Entwicklung der Astrologie.

Auch wenn die Umdeutung allgemeiner Himmelsomen in Zeichen von individueller Bedeutung in Mesopotamien bereits im fünften, vierten und dritten Jahrhungdert v.Chr. nachweisbar ist, bedurfte es doch der Atmosphäre des hellenistischen Ägypten und der Patenschaft der Hermetik, damit die Wissenschaft der Horoskope, mit ihrer Vielfalt von Regeln, Methoden und Techniken entstehen konnte. Man stößt dabei immer wieder auf den Namen Hermes, wenn von Horoskopen die Rede ist. So wird ihm zum Beispiel die Lehre von den zwölf Häusern zugeschrieben.

Betrachtet man so die Lehre und viele andere Anschauungen der Horoskopie, so wird deutlich, daß das zugrunde liegende Prinzip die hermetische Lehre von den Entsprechungen ist:

Was unten ist, ist wie das was oben ist, und was oben ist, ist wie das, was unten ist, um die Wunder des Einen zu vollbringen.

Im Beispiel der zwölf Häuser liegt das hermetische Prinzip der Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos klar zutage. Gleich der Einteilung der Himmelswelt in die zwölf Zeichen des Tierkreises, so gliedert sich das Menschenleben auf in zwölf Bereiche: Leben, Habe, Geschwister, Eltern, Kinder, Gesundheit, Heirat, Tod usw. Die Hermetiker, welche die Horoskopie zu einer Schicksalswissenschaft erweiterten, faßten diese Entsprechungen zwischen großer und kleiner Welt so zusammen, daß sie die zwölf Glieder des Erdenlebens in den Kreis des individuellen Horoskops einzeichneten.

So unterteilten sie das Geburtshoroskop, ausgehend vom Aszendenten (jenem Ort des Tierkreises, welcher im Geburtsaugenblick am östlichen Horizont aufsteigt), in zwölf Sektoren oder "Häuser" mit ihren entsprechenden Attributen (Leben, Habe, Geschwister usw.).

In ähnlicher Weise führte die hermetische Idee der natürlichen Übereinstimmung von Mensch und makrokosmischer Welt zur Zuordnung der Tierkreiszeichen zu entsprechenden Regionen des menschlichen Leibes: Widder - Kopf; Stier - Kehlkopf; Zwillinge - Schultern und Arme; Krebs - Brust usw. Diese Zuordnung begegnet uns ursprünglich in medizinischem Zusammenhang in zwei hermetischen Werken.

Die hermetische Tradition erfährt im zwanzigsten Jahrhundert eine geistige Neubelebung, die sich auch auf die Astrologie erstrecken wird. Im Zuge dieser Erneuerung kommt der hermetishcen Astrologie eine wichtige Aufgabe zu: die Schaffung einer neuen Sternenweisheit, die allerdings nur entstehen kann, wenn sich die hermetische Sternenwissenschaft bei ihrem Weg in astrologisches Neuland ihres lebendigen Verbundenseins mit ihrem göttlichen Ursprung bewußt bleibt.


Das Häusersystem und das Erdenbewußtsein

Das Häusersystem, das sich auf die Erde bezieht, ist mit der Entfaltung der menschlichen Aktivität auf Erden verbunden. Diese Aktivität teilten die hermetischen Astrologen in zwölf Bereiche ein: die Persönlichkeit (das Ich), der Besitz, die Geschwister, die Eltern, die Kinder, die Arbeit, der Ehepartner usw. Diese zwölffache Einteilung beginnt beim Aszendenten. Gemäß dem hermetischen Prinzip der Entsprechung ist mit dem Aszendenten, der den Kreis der Häuser eröffnet, auch der Quellpunkt der Erdenaktivität gegeben: das Ich des Menschen. Das irdische Ich ist die Persönlichkeit mit ihren Eigenarten und ihrem ganz eigenen Erdenschicksal. Indikator dafür ist der Aszendent. (Das griechische Wort für Aszendent ist horoscopos. Es wurde ganz allgmein zur Bezeichnung des Geburtsbildes angewandt, und deswegen gilt der Name "Horoskop" bis heute nicht allein für den Aszendenten, sondern für die gesamte Konstellation der Geburt.)

Die hermetischen Astrologen, welche den Aszendenten als etwas Neues in die Horoskop-Astrologie der Babylonier einführten und ihn in Bezug zur Persölichkeit des Menschen setzten, ahnten etwas von dem Mysterium des Ich -- der individuellen Erfahrung, ein Eigenwesen auf der Erde zu sein. Diese intuitive Ahnung veranlaßte sie zur Erstellung des Häusersystems. Im neuen Licht des griechischen Geistes erforschten die hermetischen Weisen im hellenistischen Ägypten den Kern der Persönlichkeit. Erdenbewußtsein "Ich bin ein Ich auf Erden" - wurde ihnen als etwas Neues eingepflanzt.


Der hermetische Mensch und die sieben Chakren

Die hermetische Entsprechung der sieben traditionellen Planeten und der sieben Lotosblumen (Chakren) im Menschen findet eine Zusammenfassung im Bilde des sogenannten hermetischen Menschen. Der hermetische Mensch ist das Urbild des Menschen, das als Sphärenwesen den Raum zwischen Tierkreis und Erde erfüllt.

Die Sonne bildet das Herz (12-blättriger Lotos); die Hauptesregion wird gebildet von Saturn oberhalb des Scheitelpunktes (8-blättriger Lotos), Jupiter an der Stirnwurzel (2-blättriger Lotos) und Mars im Kehlkopfbereich (16-blättriger Lotos). Vom Herzen abwärts kommen in der Nabelgegend Merkur (10-blättriger Lotos), im Beckenbereicht Venus (6-blättriger Lotos) und im Genitalbereich der Mond (4-blättriger Lotos) hinzu. Der hermetische Mensch richtet sich im Kosmos auf von der Erde, auf welcher seine Füße stehen, über die Sonne, dem Ort seines Herzens, bis hinauf in die Tierkreissphäre jenseits der Saturnbahn.

Im Urbild des hermetischen Menschen offenbart sich, wie die kosmischen Kräfte der sieben Planeten durch die sieben Lotosblumen in den Menschen aufgenommen werden. Hier findet sich der Schlüssel zur Wirklichkeit des hermetischen Horoskops. Denn es wird offensichtlich, daß die Planetenfolgen innerhalb des hermetischen Urmenschen vom Saturn herunter bis zum Mond genau mit der Planetenordnung des ägyptischen Systems übereinstimmt. Das hermetische Horoskop, die Planetenkostellation im Geburtsmoment nach dem ägyptischen System, bietet also eine jeweils individualisierte Abwandlung des urbildlichen hermetischen Menschen. So kann man sich aus dem Vergleich mit dem Archetypus ein Bild davon machen, wie im jeweiligen Individuum die Kräfte der Planeten durch die Lotosblumen wirken.


Die Wirkensweise der sieben Lotosblumen im Gesamtorganismus des Menschen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die vierblättrige Lotosblume (Mond) als Vermittler von Kräften, die in den physischen Menschenleib hineinwirken, ist eng verbunden mit dem menschlichen Willen, welcher die höheren Impulse zur physischen Verwirklichung bringt.

Die sechsblättrige Lotosblume (Venus), welche die Kräfte des Ätherleibes, des vermittlers zwischen astralem und physischem Leib, reguliert, ist besonders verbunden mit dem Bereich des Fühlens, der Emotion, die zwischen seelischer Erfahrung und sinnlicher Wahrnehmung lebt.

Die zehnblättrige Lotosblume (Merkur) bezieht sich als ordnende Kraft innerhalb des Astralleibes auf die Tätigkeit des Denkens -- nicht des fragenden philosophischen Denkens, das zur zweiblättrigen Lotosblume (Jupiter) gehört, sondern des koordinierenden und kombinierenden Denkens; ja, Merkur ist überhaupt der große Ordner der vielfältigen tätigen Impulse im Menschen.


Diese drei unteren Chakren, um den hinduistischen Begriff für die Lotosblumen zu verwenden, vermitteln die Impulse von Denken, Fühlen und Wollen im "unteren Menschen", während die drei oberen Chakras, die acht-, zwei- und sechzehnblättrige Lotosblume die Impulse von Gedächtnis, Gedankeninitiative und Sprache im "oberen Menschen" vermitteln.

Im hermetisch-archetypischen Menschen meint der "obere Mensch" den Hauptesbereich des Menschen, der "untere Mensch" die Region unterhalb des Herzens, während die Sonne, das Herz, sich im Zentrum zwischen oben und unten befindet. Das zentrale Sonnenchakra, das Zentrum des Selbstes, vermittelt zwischen den drei oberen und den drei unteren Chakren.


Die vier unteren Chakren, die vier-, sechs-, zehn- und zwölfblättrige Lotosblume in aufsteigender Folge vermitteln also jeweils die kosmisch-planetaren Kräfte von Mond, Venus, Merkur und Sonne und gehören mit ihrer jeweiligen Wirkenssphäre den einzelnen Bereichen des menschlichen Gesamtorganismus an: dem physischen, dem ätherischen, dem astralen Leib und dem Selbst.

Die drei oberen Chakras, die sechzehn-, zwei- und achtblättrige Lotosblume, vermitteln die Kräfte von Mars, Jupiter und Saturn, die wiederum in den geistigen Fähigkeiten von Sprache, Gedanke und Gedächtnis zum Ausdruck kommen.


Die Zuordnung der kräftevermittelnden Lotosblumen zu den einzelnen Planeten in der aufsteigenden Folge: Mond, Venus, Mekur, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn stimmt genau überein mit der Planetenfolge des ägyptischen Systems.

Das hermetische Horoskop nun, indem es die Geburtskonstellation der Planeten nach dem ägyptischen System aufnimmt, gibt demnach nicht nur ein Bild der makrokosmischen Beziehungen zwischen den Planeten, sondern es zeigt auch, wie die kosmisch-planetarischen Kräfte im Mikrokosmos der sieben Lotosblumen wirken. Da es unmittelbar auf dem hermetischen Prinzip der Entsprechnung basiert: "wie oben, so unten", sind mit den panetarischen Beziehungen oben im Makrokosmos auch gleichzeitig die beziehungen innerhalb des Mikrokosmos unten mit aufgezeigt. Darüber hinaus kann man an der makrokosmischen Stellung der Planeten im Tierkreis ablesen, wie sich die durch die Lotosblumen vermittelten kosmischen Kräfte im Mikrokosmos offenbaren und differenzieren.


Der siderische Tierkreis und das Wassermann-Zeitalter

Die hermetische Astrologie bringt neues Licht in eine Auseinandersetzung, die regelmäßig zur Quelle der Verwirrung in der Astrologie wird, nämlich die Kontroverse um den Tierkreis. Die Astrologen der westlichen Welt sind in zwei Lager gespalten: die "Tropiker" und die "Sideriker". Die Sideriker folgen dabei den babylonischen, alt-ägyptischen und frühen griechischen Astrologen, und gleiches tun auch die hermetischen Astrologen der Gegenwart, denn auch sie verwenden den siderischen Tierkreis. (Der siderische Tierkreis ist der astronomisch-astrologische Tierkreis des Altertums und wird so genannt, da er auf die Fixsterne bezogen ist.)

Der siderische Tierkreis bildet einen Bezugsrahmen für die Bahnen von Sonne, Mond und Planeten, während der tropische Tierkreis sich nur auf den Jahreslauf der Sonne bezieht.


Der siderische Tierkreis ist zur Klärung verschiedener astronomischer und astrologischer Fragen von eminenter Bedeutung. So werden die sogenannten astrologischen Zeitalter vor dem Hintergrund des siderischen Tierkreises bestimmt und die durch das Venus-Pentagramm angezeigte Zeitverschiebung zwischen Zeitaltern und entsprechenden Kulturepochen dargestellt, wodurch unter anderem die heute weit verbreitete Diskussion, wann das sogenannte "Wassermann-Zeitalter" beginnt, eine wissenschaftliche Fundierung erhält.

Der siderische Tierkreis bringt die Tatsache der Evolution zum Ausdruck, daß wir nämlich verschiedene astrologische Zeitalter im Laufe der Menschheitsgeschichte durchleben. Die astrologischen Zeitalter entstehen dadurch, daß der Frühlingspunkt langsam durch die Zeichen des siderischen Tierkreises wandert, und zwar rückwärts.

Da die jetzige Stellung des Frühlingspunktes 5 1/2° im Sternzeichen Fische ist, leben wir gegenwärtig im astrologischen Zeitalter der Fische. Eine genaue Rechnung ergibt, daß der Frühlingspunkt im Jahre 2375 vom Sternzeichen Fische ins Sternzeichen Wassermann übergehen wird.


Die Verbindung des niederen und höheren Ich

Es gibt im Lichte der hermetischen Astologie gute Gründe, dieses Zeitalter zugleich als jenen Zeitraum aufzufassen, in welchem die Erhöhung der Sonne, der Sommersonnenwendepunkt, sich zwischen 6° Zwillinge und 1° Stier befindet. Denn in diesen letztgenannten beiden Sternbildern spricht sich der Kern und das Wesen des Neuen Zeitalters aus, das also den Impuls der Zwillinge und den des Stieres umfaßt. So teilt sich ein bedeutsamer Aspekt der Wiederkunft Christi im Bild der Zwillinge mit - jenem Symbol der Verbindung zwischen dem höheren, geistigen Ich des Menschen und seinem niederen, alltäglichen Ego.

Das niedere Ich-Zentrum und das sonnenverbundene höhere Ich-Zentrum, also das Selbst können mit zwei übereinander liegenden Augen verglichen werden, einem irdischen und einem geistigen.

Mit dem Heraufkommen des Materialismus geschah es, daß sich mehr und mehr das untere Ich-Zentrum geltend machte (Kulturepoche der Fische, welche den Fortbestand und die Weiterentwicklung von Mensch und Erde auf das Äußerste bedroht). Nun verläuft aber, parallel zu dieser vom Wandern des Frühlingspunktes durch das Zeichen Fische geprägten Entwicklung die Präzession des Sonnenerhöhungspunktes durch das Zeichen der Zwillinge. Und im zwanzigsten Jahrhundert ist der Augenblick gekommen, da der "himmlische Zwilling" mit dem "irdischen Zwilling" wieder in eine neue Verbindung treten kann, d.h. die dauerhafte Verbindung vom höheren und niederen Ich wird ermöglicht.

Die hermetische Astrologie ist eine Astrologie des höheren Ich. Als eine Metamorphose der alten hermetischen Astrologie kann sie ein Wegweiser in das Neue Zeitalter des Bruderbundes vom höheren und niederen Ich sein. Dabei entspricht die hermetische Astrologie durchaus dem herrschenden Bedürfnis nach wissenschaftlicher Exaktheit und logischer Klarheit. Insofern ist sie eine zeitgemäße Ergänzung und Vertiefung der traditionellen Astrologie, wie sie sich in den letzten zweitausend Jahren entwickelt und entfaltet hat.


aus: Robert Powell
"Zu einer neuen Sternenweisheit"
Einführung in die hermetische Astrologie
Novalis Verlag
DM/SFr 34,- / öS 265,- +++ ISBN 3-7214-0642-7


Seit über 20 Jahren befaßt sich der englische Mathematiker Robert Powell mit den Fragen des Tierkreises, vor allem mit der Geschichte des Zodiaks und dem damit verbundenen Problem, welches der ursprüngliche, authentische Tierkreis war.

Im Hauptteil seines Buches versucht Powell zu zeigen, daß der siderische Tierkreis von eminenter Bedeutung zur Klärung verschiedener astronomischer und astrologischer Fragen ist. Seine Forschungsergebnisse decken sich erstaunlich genau mit entsprechenden Angaben des österreichischen Philosophen und Geistforschers Rudolf Steiner, dem der Autor wesentliche Impulse zu seinen Forschungen verdankt.

 

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